Die Doppelquerung
Der ABSV hat sich bei den Verhandlungen zum Abschnitt Fußverkehr im Mobilitätsgesetz dafür eingesetzt, dass in Berlin die sogenannte „Doppelquerung“ eingeführt wird. Sie bringt Vorteile für Rollstuhl- und Rollatornutzende, aber auch blinde und sehbehinderte Menschen profitieren davon.
Der „historische Kompromiss“
Jahrzehntelang hat Berlin den Kompromiss zwischen Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind und blinden Menschen verfolgt, bei dem die Bordsteine an Querungen auf 3 cm abgesenkt werden. Rollstuhlfahrende konnten diese Höhe überwinden, für Langstocknutzende galt sie als noch ertastbar und in kontrastreicher Ausführung auch für sehbehinderte Menschen als sicher.
Neue Nutzergruppen und alte Probleme
In den letzten 15 Jahren ist jedoch eine neue Nutzergruppe hinzugekommen: Mobilitätseingeschränkte Personen, die auf einen Rollator angewiesen sind. Mit diesem Hilfsmittel ist die Überwindung der 3 cm hohen Bordsteinkante ausgesprochen schwierig.
Aber auch blinde Langstocknutzende haben oft Probleme damit, die Kante zu ertasten – beispielsweise, wenn sie durch Laub oder Schnee verdeckt ist. Auch die Ausführung ist häufig problematisch, da sehr oft eine geringere Höhe verbaut wird, weil den Ausführenden die Probleme blinder Menschen nicht bekannt sind.
Ein neuer Lösungsansatz
Auch wenn „barrierefrei“ eigentlich bedeutet, dass eine Lösung für alle nutzbar sein soll, kann es in manchen Fällen hilfreich sein, den verschiedenen Nutzergruppen unterschiedliche Lösungen anzubieten. Aus diesem Ansatz heraus wurde seit etwa 2005 die „Doppelquerung“ entwickelt, deren offizieller Name nun „Getrennte Überquerungsstelle mit differenzierter Bordhöhe“ lautet. Sie besteht aus unterschiedlich hohen Borden, die mit Bodenindikatoren aus Rippen- und Noppenplatten ergänzt werden.
Foto: Mit Lichtsignalanlage gesicherte Querung mit differenzierter Bordhöhe (Hamburg), ABSV/Woltersdorf
Diese Lösung wird bereits seit einigen Jahren in vielen Bundesländern wie beispielsweise Hessen, Nordrhein-Westfalen und auch Hamburg umgesetzt.
Die normgerechte Ausführung
Die Straßenquerung wird dabei in zwei Bereiche geteilt: Eine schmale Nullabsenkung für Rollstuhl- und Rollatornutzende, die leicht überrollbar ist und einen höheren Bord, der für Langstocknutzende gut ertastbar ist.
Damit blinde Menschen nicht unbemerkt auf die Fahrbahn geraten, muss die Nullabsenkung mit einem „Sperrfeld“ abgesichert werden. Hierfür werden Rippenplatten längs zum Bord verlegt.
Damit der Querungsbereich mit dem mindestens 6 cm hohen Bord leicht gefunden werden kann, wird mit einem „Auffindestreifen“ aus Noppenplatten zu ihm hingeführt. Am Bord selber weist dann ein „Aufmerksamkeitsfeld“ die Richtung der Querung.
Die Querung für blinde Menschen soll immer kreuzungsabgewandt angeordnet werden, damit die Gefahr verringert wird, dass die Person in die Kreuzung abdriftet.
Die genaue Ausführung ist in verschiedenen Richtlinien und Normen festgelegt, die wir unten auflisten.
Unterscheidbarkeit gesicherte und ungesicherte Querung
Für blinde und sehbehinderte Menschen ist die Querung einer Straße eine große Herausforderung. Da der Verkehrsfluss nicht visuell wahrgenommen werden kann und auch kein Blickkontakt möglich ist, müssen sie sich auf ihr Gehör verlassen. Das wird aber immer schwieriger, da der KFZ-Verkehr immer leiser wird und Fahrräder per se nicht hörbar sind.
Daher werden lediglich Querungen mit Vorrang für Zu-Fuß-Gehende als sicher angesehen: Lichtsignalanlagen, die mit taktil-akustischen Einrichtungen versehen sind („Blindenampeln“) und Fußgängerüberwege („Zebrastreifen“).
Alle anderen Straßenquerungen, die mit Querungshilfen wie Gehwegvorstreckungen oder Mittelinseln versehen sind, gelten als ungesichert. Hier haben Fußgänger keinen Vorrang.
Damit diese beiden Querungsarten mit dem Langstock unterschieden werden können, führt der Auffindestreifen nur bei der gesicherten Querung bis an das Richtungsfeld heran. Bei der ungesicherten Querung bleibt eine Lücke davor.
Foto: Ungesicherte Querung mit differenzierter Bordhöhe (Hamburg), ABSV/Woltersdorf
Umsetzung in Berlin
Die Lösung mit getrennten Bereichen ist jetzt im Abschnitt Fußverkehr des Mobilitätsgesetzes festgelegt und wird in der Begründung zum Gesetz erläutert.
Eine genaue Festlegung zur Ausführung wird derzeit in die Überarbeitung der „Ausführungsvorschrift für Geh- und Radwege“ eingearbeitet. Der ABSV wird dabei auf eine normgerechte Gestaltung drängen, da wir der Ansicht sind, dass solche Lösungen bundesweit gleich und verständlich sein müssen.
Ein Test zu der Doppelquerung ist an „unserem“ Zebrastreifen in der Auerbachstraße angedacht, aber bisher leider noch nicht umgesetzt. Die „Auffindestreifen“ wurden in der Begegnungszone Maaßenstraße erstmals in Berlin eingesetzt.
Normen und Richtlinien
- DIN 18040-3: Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen – Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum (DIN)
- DIN 32984: Bodenindikatoren im öffentlichen Raum (DIN)
- RASt 06: Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (FGSV)
- H BVA: Hinweise für Barrierefreie Verkehrsanlagen (FGSV)
Herausgeber:
- DIN: Deutsches Institut für Normung, Berlin
- FGSV: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln
Broschüre "Sicheres Queren"
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV) hat eine Broschüre zu dem Thema herausgegeben. Die barrierefreie PDF-Datei können Sie hier oder mit Klick auf das nebenstehende Bild herunterladen.